Archiv der Internationalen Zentralstelle für Kriegsgefangene
Auf Antrag des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz 2007 in das Weltdokumentenerbe-Register aufgenommen
Das Archiv der Internationalen Zentralstelle für Kriegsgefangene (International Prisoners-of-War Agency IPWA), die zu Beginn des Ersten Weltkriegs am 21. August 1914 vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz gegründet wurde, zeugt vom Ausmass des Leidens der Opfer dieses Krieges. Aufgabe der Zentralstelle war es, Familien und Personen, die durch den Krieg getrennt wurden, wieder zusammenzuführen. Dabei ging es um Kriegsgefangene, internierte Zivilisten und Zivilisten in den besetzten Gebieten. Sieben Millionen Armeeangehörige wurden gefangen genommen, Zivilpersonen in gegnerischem Gebiet wurden massenweise interniert, Millionen Zivilpersonen litten unter der Besetzung durch feindliche Truppen oder flohen aus Kampfzonen und besetzten Gebieten.
Das Archiv zeigt, wie sich das IKRK für humanere Haftbedingungen einsetzte, und es bietet überdies die Möglichkeit, die individuellen Schicksale von zwei Millionen Kriegsopfern aller Kontinente zu verfolgen. Es verdeutlicht die globale Dimension des Ersten Weltkriegs und enthält 14 nationale Karteien, in denen auch Armeeangehörige aus den Überseekolonien und den europäischen Gebieten des deutschen und des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs sowie des russischen Zarenreichs vertreten sind.
Das Archiv musste aufwendig restauriert werden. Die empfindlichen und teilweise stark beschädigten Dokumente wurden entstaubt, gesäubert und manchmal auch verstärkt. Um die Einsichtnahme zu erleichtern und Schäden durch wiederholte Handhabung zu vermeiden, wurde das Archiv digitalisiert. Personenbezogene Angaben sind online unter IKRK und Erster Weltkrieg zu finden; die Karteikarten sind im Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum in Genf ausgestellt.
«Eröffnung der Internationalen Zentralstelle für Kriegsgefangene gemäss Washingtoner Resolutionen. […] Die Rotkreuzgesellschaften der kriegführenden Parteien wurden schriftlich ersucht, uns ihre Gefangenenlisten zu übermitteln. […] Die Zentralstelle ist vorläufig in den Räumlichkeiten des Internationalen Komitees in der Rue de l’Athénée 3 untergebracht. Ein Schild an der Tür weist auf sie hin.»
Auszug aus dem ersten Protokoll der IPWA, 21. August 1914.
Das Archiv der IPWA umfasst:
- 5119 Kartons mit rund 5 Millionen Karteikarten
- 2413 Register mit Informationen der kriegführenden Parteien auf insgesamt 600 000 Seiten (Gefangenenlisten, Listen der Toten und der Repatriierten, Untersuchungsberichte, etc.)
- 400 Laufmeter
- 20 Laufmeter allgemeiner Unterlagen über die Tätigkeiten der Zentralstelle.
Dieser für die damalige Zeit beachtliche Datenbestand war Vorbild für die Arbeitsweise des IKRK namentlich im Zweiten Weltkrieg, im Algerienkrieg und dem Völkermord in Ruanda.
Das Archiv der IPWA bietet beste Voraussetzungen für die Erforschung der internationalen Beziehungen aus der Sicht der humanitären Arbeit. Die Personendaten sind eine wertvolle Quelle für Familienkunde und Ahnenforschung, für Gefangenschaftssoziologie und für die Erforschung der Erfahrungen Gefangener.
Am 19. Juni 2007 nahm die UNESCO das IPWA-Archiv in das Weltdokumentenerbe-Register auf. Mit dem Weltdokumentenerbe und der weltweiten Förderung und Bekanntmachung von Archiven will die UNESCO vermeiden, dass es zu einer kollektiven Erinnerungslücke kommt. Das Archiv der Internationalen Zentralstelle für Kriegsgefangene bezeugt laut UNESCO «das Ausmass menschlichen Leids während des Ersten Weltkriegs, aber auch die geleistete Pionierarbeit im Hinblick auf den Schutz der Zivilbevölkerung».